Bei "Maybrit Illner"

Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour: "Wer auf der Seite der Menschen in Gaza ist, muss gegen die Hamas sein."

18.05.2024, 07.48 Uhr
von Helena Düll

Bei Maybrit Illner wurde darüber debattiert, wo berechtigte Kritik an Israel endet und Antisemitismus beginnt.  Extremismusforscher Ahmad Mansour erklärte das Phänomen der Proteste mit einer kindlichen schwarz-weiß Weltanschauung.

Eine "neue Qualität" des Antisemitismus von links

Sowohl an amerikanischen Eliteuniversitäten als auch an deutschen Unis nehmen linke, politisch aktive junge Menschen teil und fordern "Freiheit für Palästina". Doch hinter den postkolonialen Theorien steckt nicht selten Antisemitismus, wird doch oft zur Vernichtung Israels aufgerufen. Entsprechend stellte ein Einspieler zu Beginn der Donnerstagsausgabe des Polittalks "Maybrit Illner" fest: "Der linke Antisemitismus verfängt,"

Ronen Steinke, Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung", stellte fest, dass der Antisemitismus von links eine "neue Qualität" erreicht habe und in "immer neue Schichten einsickert". "Das, was die Protestierenden durch die Brille des Kolonialismus sehen, ist schlichtweg falsch", betonte er. "Die Juden, die heute in Israel leben, sind dahin gekommen, um ihr Leben zu retten." Dass nun Studierende, die sich eigentlich für Gerechtigkeit einsetzen wollen, diese Fluchtgeschichte ignorieren würden, sei gegen ihre eigentlichen Werte.

"Das liegt daran, dass die Ideologie davon ausgeht, dass es nur schwarz und weiß gibt", erklärte Extremismusforscher Ahmad Mansour das Phänomen. "Es gibt nur die Unterdrücker und die Unterdrückten." Er halte das für eine sehr kindliche Darstellung, die für einen Kulturkampf herhalten müsse. "Der Vergleich mit einem Genozid ist ein Angriff auf unsere Erinnerungskultur", beklagte der Deutsch-Israeli arabisch-palästinensischer Herkunft.

Fehlendes Wissen über den Holocaust

Souad Mekhennet arbeitet als Korrespondentin für internationale Sicherheit bei der "Washington Post" und hat von Studentenprotesten in den USA berichtet. Ihre Beobachtung: Es werde versucht, Begriffe wie Genozid oder Apartheid neu zu besetzen. "Israel wird gleichgesetzt mit allem Schlechten auf der Welt."

Hinzu komme, dass es bei einigen Protestierenden "sehr wenig Wissen von der Geschichte und vom Holocaust" gebe. Auf der anderen Seite seien die, "die sehr genau wissen, was sie erreichen wollen". Die Journalistin beschrieb letzteres Vorgehen als "sehr koordiniert". Auch sprach sie von "Ansätzen einer Meinungsdiktatur" bei den Demonstrationen, die dazu führe, dass "Personen nicht mehr bereit sind, zuzuhören".

Mekhennet betonte aber auch, dass "nicht jeder Student, der dort demonstriert, ein Islamist ist oder jemand, der Israel hasst". Deshalb sei es wichtig, ein Gesprächsangebot zu machen. "Wir müssen auch den Geschichtsunterricht anfassen", forderte die Journalistin weiter. "Anscheinend ist da nicht alles angekommen, was wir noch vor 15 bis 20 Jahren so eindrücklich gelernt haben." Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour stimmte dem zu: "Wenn man nicht mehr mit Kippa zur Uni kann, ist das unerträglich."

Maybrit Illner wollte anschließend wissen, warum ausgerechnet junge Studierende zuhauf protestieren. Ronen Steinke sagte zwar, dass er es grundsätzlich gut fände, wenn junge Leute sich engagieren. Aber die Dämonisierung beim Antisemitismus funktioniere deshalb so gut, weil es ein "Treten nach oben" ist. "Das macht junge, für Gerechtigkeit eintretende Menschen so anfällig dafür", führte er aus. Und, so der Journalist weiter: "Es ist funktional, einen Sündenbock zu haben."

Ahmad Mansour will junge Menschen für Demokratie begeistern

Das Ziel der postkolonialen Theorien sei die Offenlegung und Bekämpfung der Effekte, die der Kolonialismus bis heute auf Gesellschaften in Nord und Süd hat. Dabei wird die Welt in den globalen Süden, zu dem beispielsweise auch Länder wie Russland, China oder Indien gehören und den globalen Norden eingeteilt.

"Dabei wird alles in einen Topf geworfen", schlüsselte Souad Mekhennet auf. Es werde auch ausgeblendet, dass arabische Staaten sehr gute Beziehungen zu Israel haben. "Es geht um 'Wir gegen die anderen beziehungsweise die bösen Kolonialherren'", so die Journalistin. "Das ist ein Weltbild, das der Realität nicht entspricht."

Wichtig sei auch, sich klarzumachen, was die Hamas eigentlich möchte. "Die werden so dargestellt, als ob sie Freiheitskämpfer wären", bemerkte Mekhennet. "Wenn man das betrachtet, hat die Hamas den Propagandakrieg fast schon gewonnen." Omid Nouripour befand: "Wer auf der Seite der Menschen in Gaza ist, muss gegen die Hamas sein."

Die Runde war sich einig, dass man neben der Ordnungspolitik auch auf Bildung setzen müsse. "Wir müssen auch über Prävention nachdenken und uns überlegen, wie wir junge Menschen wieder für die Demokratie begeistern können", forderte Ahmad Mansour.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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