Bassist von Judas Priest im Interview

Ian Hill: "Kein Wunder, dass damals so ziemlich jeder übergeschnappt ist"

24.04.2024, 08.57 Uhr
von Marcus Italiani
Ian Hill von Judas Priest!
Ian Hill von Judas Priest!  Fotoquelle: Gettyimages/Ethan Miller;Yes!Con

Ian Hill ist der Bassist der Heavy-Metal-Band Judas Priest. Im Interview spricht der Engländer über die wilden 80er, wie ihre Musik geprägt hat und über vieles mehr. 

Ian, wie geht es Glenn Tipton und Richie Faulkner, die mit unterschiedlichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben?

Na ja, Glenn geht es den Umständen entsprechend. Durch seine Parkinson-Erkrankung hat er gute und schlechte Phasen. Wichtig ist, dass er nach wie vor ein Teil von Judas Priest ist, auch wenn er auf der Bühne nur noch selten dabei ist. Als Richie auf der Bühne ohne Vorwarnung ein Aortenaneurysma erlitt, war das natürlich ein Schock für uns alle. Sein Leben hing am seidenen Faden. Aber er hat sich gut erholt und ist voller Tatendrang.

Auf dem aktuellen Album, das in Deutschland auf Platz 1 chartete, deckt Ihr soundmäßig fast alle Perioden Eurer Karriere ab. War das der Plan?

Plan würde ich nicht sagen. Eigentlich sind wir in der glücklichen Situation, dass unsere loyalen Fans uns vertrauen und wir das machen können, was uns vorschwebt. Die Einflüsse früherer Alben sind natürlich da. Aber das Ziel ist immer eine Weiterentwicklung. Dieses Mal war der Entstehungsprozess des Albums allerdings ein völlig anderer als sonst.

Warum das?

Weil die Produktionszeit die gesamte Corona-Phase umfasste. Einerseits konnten wir die Songs reifen lassen und sie intensiver ausarbeiten, weil wir mehr Zeit hatten. Andererseits mussten wir anders an die Aufnahmen herangehen. Ich habe meine Parts in einem Hotelzimmer aufgenommen, das war schon irgendwie gemütlich (lacht). Du hattest den ganzen Tag Zeit, um an irgendetwas zu arbeiten, ohne dass jemand am Mischpult steht und ständig stresst.

Einige modern klingende Songs wie „Crown Of Horns“ hätte man so nicht mehr von Judas Priest erwartet.

So sind wir. Demnächst spielt man uns noch im amerikanischen Radio, haha.

Die alte Garde der großen Metal-Bands wie Accept, Iron Maiden, Saxon oder eben Judas Priest ist heute immer noch relevant und sowohl live als auch in den Charts präsenter als je zuvor. Hast Du damit gerechnet, als Ihr vor mehr als 50 Jahren die ersten Kneipenkonzerte gespielt habt?

Man hofft eigentlich die ganze Zeit, von der Sache leben zu können, der man mit so viel Leidenschaft nachgeht. Aber natürlich hätten wir nie gedacht, nach über 50 Jahren noch da zu sein. Diese Zeitspanne hätte sich früher eh niemand vorstellen können. Judas Priest starteten in den späten 1960er-Jahren, in denen zeitgenössische Musik wie heute noch gar nicht wirklich existiert hat. Ich meine, damals fiel Bing Crosby unter diesen Begriff (lacht). Man dachte einfach von Tag zu Tag und versuchte, besser zu werden und zu überleben.

War euch bewusst, dass Ihr daran beteiligt wart, mehr als einen kurzlebigen Trend zu kreieren?

Über so etwas haben wir anfangs gar nicht nachgedacht. Unser Fokus lag darauf, dass wir anders sein wollten als alle anderen. Andere Bands zu der Zeit, wie die Beatles oder die Rolling Stones, basierten alle grundsätzlich auf dem alten Blues. Wir wollten von Beginn an davon weg und uns bereits da härteren Rock als Fundament geben. Von dort aus haben wir unseren Sound aufgebaut und dann probiert, mit jedem Album und jeder Tour besser zu werden. So um 1976 herum gab es eine Band namens „The Heavy Metal Kids“. Möglicherweise wurde der Terminus für die Musikrichtung und die Bewegung von ihnen inspiriert. Jedenfalls nahm das Ganze zu dieser Zeit Fahrt auf und explodierte in den frühen 80ern.

Mit der New Wave Of British Heavy Metal…

Genau so war das. Jede Rockband wurde damals in diese Schublade gesteckt, aber viele Bands glichen damals auch ihren Sound an.

Was war Dein verrücktester 80er-Moment?

Wahrscheinlich das US-Festival 1983. Du bist mit diesen ganzen Haarspray-Bands auf einem Billing und spielst vor 300.000 Menschen. Kein Wunder, dass damals so ziemlich jeder übergeschnappt ist und völlig verrückte Sachen angestellt hat. Anfang der 90er ist das Ganze dann abgeebbt und mittlerweile auf einem normalen Level angekommen. Gott sei Dank.  

Wo Du schon die 90er ansprichst: 1990 habt Ihr das einflussreiche und hochgelobte „Painkiller“ veröffentlicht. Damals hätte Euch die Welt zu Füßen liegen müssen. Stattdessen ist Sänger Rob Halford ausgestiegen und wurde durch den jungen Tim „Ripper“ Owens ersetzt. Es begann ein dunkleres Kapitel in der Band-Geschichte. Wie erinnerst Du Dich an jene Zeit?

Als Rob uns ’93 verließ, wäre es wirklich leicht gewesen, einfach aufzuhören. Wir waren, seit wir existeierten, in diesem Album-Tour-Rhythmus. Rob wollte zunächst nur ein Solo-Album machen, aus dem dann eine Solo-Karriere und sein Ausstieg aus der Band wurden. Das mussten wir zunächst verarbeiten. 1994 luden wir daher unsere Batterien auf und sahen uns dann nach einem neuen Sänger um. Natürlich hatte sich einiges in uns aufgestaut, zudem bog der Zeitgeist in eine andere Richtung ab, sodass „Jugulator“ mit Tim Owens ein wirklich brutales, aber dennoch gutes Album geworden ist. Einige der Traditionalisten mochten es aber nicht. Das folgende „Demolition“ war dann nicht mehr ganz so heavy. Als Rob dann zurückkehren wollte, war das ein ganz natürlicher Prozess, was man schon daran erkannte, dass es sich sofort natürlich anfühlte, als er zurück war.

Gibt es denn eine Chance, dass großartige Songs aus dieser Phase wie „Bullet Train“ oder „Cathedral Spires“ nochmal im Live-Set auftauchen?

Nun, ich denke, dass es Rob gegenüber unfair wäre, ihn Songs anderer Sänger singen zu lassen.

Euer ehemaliger Gitarrist K.K. Downing ist mittlerweile erfolgreich mit seiner Band KK’s Priest, in der K.K. mit Eurem Interimssänger Tim Owens zusammen musiziert. Was hältst Du davon?

Ich habe davon gehört. Gibt es die Band noch?

Ja

Na ja, die Musik habe ich noch nicht gehört, aber ich wünsche ihnen alles Gute.

Das könnte Sie auch interessieren